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Bergwandern auf Teneriffa
15. November - 02. Dezember 2008
Ein Reisetagebuch - Teil 1 |
Einleitung
Eigentlich wollte ich im Oktober noch einmal zwei Wochen verreisen. Das ging nicht, weil für diese Zeit bereits zwei Kollegen Urlaub angemeldet hatten. Also zog ich den Urlaub auf den September vor. Da wiederum hatte ich so viel um die Ohren, dass ich meinen Urlaub kurzerhand auf Anfang November verschob. Allerdings ergab sich die Gelegenheit, an einer Fortbildung Teil zu nehmen. So wurde es schließlich Ende November.
Der Urlaub sollte keine große Sache werden, nur eine Reise innerhalb Europas. Viel Zeit zum Organisieren blieb mir eh nicht mehr. Doch Ende November ist es überall kühl, nass, ungemütlich - und vor allen verdammt früh dunkel. Auf den Kanaren sah die Sache da schon besser aus.
Für Teneriffa sprachen neben dem günstigen Flug weitere Gründe: Auf der Insel befindet sich der 3.718 Meter hohe Pico del Teide - höchter Berg Spaniens, höchste Erhebung im Atlantik, dritthöchster Inselvulkan der Erde. Umgeben wird der Teide von der riesigen Caldera 'Las Cañadas' , einem vulkanischen Senkkrater, mit einem Durchmesser von 17 Kilometern.
Des weiteren finden sich auf der Insel die Kanarische Kiefer, die ich gerne mal in Natura sehen wollte, sowie der kanarische Drachenbaum. Und als wenn das noch nicht genug ist, so konnte ich endlich mal meine rudimentären Spanischkenntnisse ausprobieren.
Nachdem ich den Freitag nach der Arbeit mit Packen verbringe, fahre ich nach Hamburg und besuche dort einen Freund. Nach ein paar Bieren übernachte ich auf dem Sofa; so habe ich es am nächsten Morgen nicht so weit nach Bremen.
Von dort aus fahre ich am nächsten Morgen mit dem Auto zum Flughafen Bremen. Nach dem Frühstück und einiger Wartezeit auf dem Flughafen geht es nicht ohne einige Probleme los:
Vor dem Einchecken muss ich noch einmal zur Bundespolizei und mir einen vorläufigen Reisepass als Passersatz besorgen, weil die Dame am Schalter festgestellt hat, dass mein Personalausweis abgelaufen ist. Das ganze kostet übrigens 8 Euro.
Auch bei der Sicherheitskontrolle dauerte es etwas länger: Nicht nur, dass ich etwas gründlicher durchsucht werde, auch bei meiner Kamera wird eine Art Abstrich gemacht. Ich nehme an, die Jungs wollen ihre Geräte testen, schließlich bin ich einer der ersten Fluggäste an diesem Morgen. Aber das ist ja alles nicht weiter wild.
Nach einem 5 Stunden langen Flug über eine fast durchgehend geschlossene Wolkendecke setzt das Flugzeug um 16 Uhr Ortszeit bei strahlendem Sonnenschein auf dem Flughafen Teneriffa Süd auf. Einige der Passagiere meinen beim Blick aus dem Fenster paradiesische Verhältnisse zu entdecken - ich sehe vor allem riesige Feriensiedlungen, Hotelkomplexe, Golfplätze, Schattierhallen für den Obst- und Gemüseanbau, Urbanisierung. Hindurch zieht sich das Band einer breiten Autobahn. Das Hinterland zum Pico del Teide scheint aber weitgehend unbebaut zu sein. Bin ich auf dieser Insel überhaupt richtig aufgehoben? Wir werden sehen...
Ich halte mich nicht lange am Flughafen auf und gehe zu Fuß parallel zur Autobahn querfeldein die paar Kilometer nach San Isidro. In einem Supermarkt kaufe ich 3 Liter Wasser, 2 Dosen Bier und einen Liter reinen Alkohol als Brennstoff.
Anschließend wandere ich hinunter zur Küste nach El Medano. Auch dabei gehe ich mehr oder weniger querfeldein, vorbei an einem ärmlichen Bauernhof mit vielen Ziegen, einer wilden Müllkippe und durch eine Art Steinbruch. Grund hierfür ist der starke Autoverkehr auf der Straße.
Im Dunkel der Nacht (18 Uhr 15 Sonnenuntergang) suche ich mir an der Küste unterhalb des kleinen Berges 'Montaña Roja' einen Schlafplatz. Im Schein meiner Stirnlampe funkeln die Augen eines Kaninchens. Plötzlich kommt aus dem Dunkel eine Stimme, die mich fragt, was den los sei. So treffe ich am Strand Michael, der dort in seinem Zelt liegt.
Michael lebt derzeit auf Teneriffa und arbeitet auf einer kleinen Finca im Norden der Insel. Seine Freundin produziert dort Bio-Obst und Gemüse; die Produkte finden ihren Absatz in den Restaurants der Insel. An diesem Wochenende hat Michael eine kleine Radtour über die Insel unternommen und ist bis nach El Medano gekommen.
Wir plaudern ein wenig über unser Woher und Wohin, während ich die erste Dose Bier leere. Aus ihr baue ich dann in aller Schnelle mit der Nagelschere einen ganz einfachen Spirituskocher. Zusammen mit einem Windschutz aus dicker Aluminiumfolie und 3 in den Sand gesteckten Zeltheringen, auf denen ich den Topf abstellen kann, gibt das Ganze eine passable Kochgelegenheit.
Nach einer Portion Nudeln, zwei Müsliriegeln und einer weiteren Dose Bier bin ich einigermaßen satt. Michael kann mir einige sehr nützliche Tipps zum Wandern auf der Insel geben sowie zum Bus fahren, zum Gipfelzugang und dem Übernachten in den Bergen. Wir plaudern noch lange über diverse Reisen, die wir in der Vergangenheit unternommen hatten, bevor ich mich in den Schlafsack verkrieche.
Michael hat die Nacht in einem selbst genähten Zelt verbracht, das mit Hilfe des umgedrehten Fahrrades aufgebaut wird. Dabei wird das Kopfendes des Zeltes über den Vorderreifen gezogen, wodurch das Zelt seine Höhe und seine große Kopffreiheit bekommt. In das Fußende wird der Helm geschoben, der hier eine Belüftungsöffnung offen hält. Mit einer Schnur nach hinten wird das Umkippen des Fahrrades verhindert. Somit werden lediglich 4 Heringe zum Aufstellen benötigt.
Nach dem Aufstehen und Packen fährt Michael mit dem Fahrrad nach El Medano zum Frühstücken, wohin ich ihm wenig später zu Fuß folgte. Ich mache zuvor noch einige Fotos an der Küste.
El Medano ist ein nicht sehr stark ausgebauter Ferienort, der aufgrund seiner günstigen Windverhältnisse und seines Strandes besonders bei Surfern und Kitern, aber auch bei Familien beliebt ist. Der Ort soll auch schon einmal Austragungsstätte einer Weltmeisterschaft gewesen sein. Dem entsprechend machen hier viele verschiedene Nationalitäten Urlaub, aber auch viele Festlandspanier. Es gibt viele nette kleine Cafés, Bars und Restaurants, in den Abendstunden trifft man sich im Zentrum des Ortes zum Sehen und Gesehen werden.
Michael und ich sitzen gemütlich auf der Terasse eines Cafés und frühstücken. Gegen 13 Uhr machen wir uns auf den Weg in den Ort in ein Internetcafé. Nach einigem Suchen entdecke ich eine Internetadresse, über die es möglich sein soll, die Zugangserlaubnis zum Gipfel des Teide online zu bekommen. Dazu muss man seine Passnummer angeben. Am Montag werde ich hoffentlich eine brauchbare Antwort bekommen.
Michael macht sich im Anschluss an meine Internetrecherche mit dem Rad auf den Weg nach Hause. Vor ihm liegt noch eine Fahrt bis auf 2000 Meter Höhe und eine darauf folgende dreistündige Abfahrt mit dem Mountainbike.
Ich laufe im Anschluss die Strandpromenade zurück bis zum Fuße des Montaña Roja und besteige den 171 Meter hohen "Berg". Von dort aus hat man einen guten Blick über die Umgebung des Flughafens. Anschließend mache ich mich auf die Suche nach einem geschütztem Platz für die Nacht. Auf ein Abendessen verzichtete ich, statt dessen besorge ich mir in El Medano noch eine Flasche Wasser und eine Packung Orangensaft. Die Nacht verbringe ich wieder unter den Sternen.
Um 7 Uhr 30 stehe ich auf und frühstücke erst einmal ausgiebig. Anschließend geht es hinunter zum Wasser, Waschen und Zähne putzen.
Nachdem ich meine Sachen im Rucksack verstaut habe gehe ich noch einmal hinunter zum Wasser und nehme die Gezeitentümpel etwas näher unter die Lupe. In ihnen tummeln sich kleine Fische, Barsche zumeist. Viele Schnecken haften an den Felsen. Wo Schnecken sind, sind Einsiedlerkrebse meist nicht weit. Kleine weiße Seepocken überziehen die schwarzen Felsen. An den Felsen direkt in der Brandungszone sitzen große Krebse und trotzen den Wellen. Es ist erstaunlich, wie sich diese schwarzen Ritter an die Felsen klammern und wie flink sie sich bewegen können. An etwas geschützteren Stellen findet man ihre rot gefärbten Vettern, die sich beim leisesten Anzeichen von Bewegungen auf den Felsen furchtsam in die kleinsten Nischen verkriechen.
Ohne große Umwege mache ich mich dann zu Fuß auf den Weg nach San Isidro und weiter nach Granadilla de Abona. Mein Ziel: Ich will den Pico del Teide besteigen und jeden Höhenmeter vom Meer bis zum Gipfel zu Fuß gehen. Besonders nervig ist der starke Verkehr auf der Straße. Zwischendurch kehre ich in eine kleine Bar ein, um mich an einer Cola zu erfrischen.
In Granadilla de Abona herrscht Siesta. Viele Geschäfte haben bis 16 oder gar 17 Uhr geschlossen. Ich erkundige mich in der örtlichen Postfiliale nach einem Internetzugang, doch das genannte Café hat geschlossen. Ich setze mich in eine Bar und bestelle mir einen Milchkaffee und ein Sandwich, dann trinke ich noch ein Bier. Lustig wird es beim Bezahlen: Die Wirtin kann auf meinen 50-Euro-Schein nicht raus geben. Ich wechsele also erst einmal in einem Supermarkt, der nur Tiefkühlkost führt.
Anschließend schlendere ich durch den Ort und weiß nicht so genau wie es weiter gehen soll. Ich benötige die Zugangserlaubnis für den Pico del Teide, hoffe, dass es per E-Mail funktioniert. Ich habe keine Lust nach Santa Cruz de Teneriffa zu fahren, um mir dort die Genehmigung zu holen.
Ich entdecke neben der Kirche die öffentliche Bibliothek (im 1. Stock). Hier gibt es einen kostenlosen Internetzugang. Ich rufe meine E-Mails ab und habe Post von der Nationalparkverwaltung und von Michael.
Die Nationalparkverwaltung schreibt, dass sie zu meinen persönlichen Daten und der Passnummer auch eine eingescannte Kopie meines Ausweise haben wollen. Außerdem sind mindestens 7 Tage Vorlaufzeit nötig. Und dann muss ich den exakten Tag bestimmen, an dem ich auf dem Berg sein will, sowie ein zweistündiges Zeitfenster benennen.
Aber das ist so gut wie unmöglich für mich.
Hoffnung macht dagegen die Nachricht von Michael. Übernachtet man auf der Gipfelhütte, kann man im Morgengrauen den Berg besteigen und muss bis 9 Uhr wieder vom Gipfel verschwunden sein. Der Beleg für die Übernachtung gilt als Zugangsberechtigung.
Ich speichere die Telefonnummer für die telefonische Reservierung in meinem Mobiltelefon. Dann mache ich mich auf den Weg Richtung Vilaflor. Ich nehme die falsche Abzweigung, aber das macht nichts. Ich laufe durch Charco del Piño und nehme dann die Landstraße TF 563. So bekomme ich noch einmal zu sehen, was eigentlich ein Baranco ist: Eine Schlucht, die sich tief in das Lavagestein gefressen hat. In den Barancos stürzt das Regenwasser zu Tal, wenn es im Gipfelbereich geregnet hat. Leider nutzen auch viele Leute diese Täler, um ihre Abfälle und ihren Sperrmüll zu entsorgen.
Ich komme eigentlich recht gut voran, die Steigung auf der Strecke bereitet mir wenig Probleme. Entlang der Straße finden sich große Wasserauffangbecken. Sie gleichen größeren Swimmingpools. Gespeist werden sie aus metallenen Leitungen, die in den Bergen aufgefangenes Regenwasser heranführen. Ein großer Teil dieser Becken ist zu dieser Jahreszeit leer, in den übrigen sieht das Wasser ziemlich unappetitlich aus. Es wird genutzt, um die Felder zu bewässern.
Beim Anblick der vielen Wasserbecken wird mir mein eigener Wassermangel bewusst. Auf dem Weg nach Vilaflor bin ich noch an keinem Laden oder dergleichen vorbeigekommen. Auf dem Weg um eine Kurve herum höre ich ein verführerisches Plätschern. Aus einem blanken Metallrohr strömt klares Wasser in ein leeres Auffangbecken. Ich nehme einen kleinen Schluck zur Probe; es ist kalt und schmeckt wie frisches Wasser schmecken soll. Schnell fülle ich alle meine Wasserflaschen.
Über die Straße kommt ein älterer Herr zu mir und grüßt freundlich. Ihm folgen auf den Schritt ein kleiner Hund und drei sehr verschmuste Katzen. Ich bin erstaunt, wie gut wir uns unterhalten können, obwohl ich wirklich nur ein paar Brocken Spanisch beherrsche. Vielleicht liegt es daran, dass er nicht so schnell und sehr klar spricht. Ich erzähle ihm von meinem Woher und Wohin, von Deutschland und dem nasskalten dunklen Herbst. Er berichtet mir, dass am morgigen Tag sein Sohn wieder auf Teneriffa eintreffen soll, um für zwei Monate zu bleiben. Normalerweise arbeite dieser in der Schweiz bei Volvo, flüchte vor dem kalten Winter jedoch auf die Insel.
Nach gut zwei Kilometern verlasse ich die Straße und suche mir hangaufwärts auf einem nicht mehr genutzten Terrassenfeld unter einer buschigen Kiefer einen Schlafplatz für die Nacht. Beim Kochen bin ich besonders vorsichtig und benutze ein paar flache Steine als Unterlage für den Spirituskocher. Ich will mich beim Baum für seinen Schutz und seine Geborgenheit ja nicht mit einem Feuer bedanken.
In der Nacht surren einige Mücken um mich herum. Widerwillig schließe ich den Reißverschluss meines Schlafsackes so weit es geht und ziehe die Kapuze bis auf ein kleines Atemloch zu. Doch je länger ich im Dunkel liege, desto wärmer wird mir. Im Halbschlaf verschaffe ich mir Luft, krieche mit dem Oberkörper aus dem Schlafsack. Ich lasse die Mücken Mücken sein...
Am nächsten Morgen verfluche ich meine nächtliche Faulheit und die Mücken. Jedoch muss ich feststellen, dass ich keinerlei Mückenstiche habe. Seltsame Viecher. Mir soll' s recht sein.
Nach dem Frühstück machte ich mich weiter auf den Weg nach Vilaflor. Je weiter nordwärts ich komme, desto aufgeräumter und gepflegte scheint die Landschaft zu sein. Mit großen Baumaschinen werden neue Terrassenfelder angelegt. Auch einige Felder mit Rebstöcken und Kartoffeln kann ich entdecken.
Noch vor Mittag erreichte ich die kleine Ortschaft. In einer kleine Gaststätte, die wohl mehr ein Souvenierladen ist, trinke ich einen Orangensaft und betrachte all die alten Dinge im Schankraum, die viel vom anstrengenden bäuerlichen Leben in den Bergen Teneriffas erzählen. Im örtlichen Supermarkt versorge ich mich dann mit 5 l Wasser, so dass ich für die nächsten beiden Tage genug zu Trinken habe.
Nördlich des Ortes geht die Straße in eine Serpentinenstrecke mit scharfen Kurven über und taucht in einen schattigen Kiefernwald ein. Von einem Parkplatz aus hat man einen guten Blick nach Süden bis ans Meer.
In einer Kurve kann ich eine wundervolle doppelstämmige Kiefer bewundern. Ein Schild gibt Auskunft darüber, dass der Baum 56 Meter hoch ist. (Später habe ich rechercheiert, dass der Baum mittlerweile über 60 Meter hoch ist. Somit ist es die höchste Kiefer der "alten Welt".) Über 5 mal muss ich die Arme ausbreiten, um seinen Stamm umfassen zu können.
Bei den Kiefern handelt es sich um eine auf den Kanareninseln Teneriffa, Gran Canaria, La Palma und La Gomera endemische Art, die Kanarenkiefer (Pinus canariensis). Die Art besitzt sehr lange weiche Nadeln, die zu dritt gefasst sind. Die Art der Rinde macht den Baum widerstandsfähiger gegen Waldbrände, zudem sind die Bäume in der Lage, aus der Rinde und sogar aus dem Stock neu auszuschlagen.
Nach zwei weiteren Kurven kann ich endlich die Straße verlassen und laufe auf einem breiten Waldweg in den Forst hinein. Hier begegnen mir auch die ersten anderen Wanderer; alles Tagesausflügler mit kleinen Rucksäcken und Walkingstöcken. Nach gut drei Kilometern zweigt von dieser "Waldautobahn" der gut ausgeschilderte Wanderweg nach Norden in die Montaña Bermeja zur sogenannten "Mondlandschaft" Paisaje Lunar ab. Die Beschilderung hier ist übrigens ganz ausgezeichnet. Allerdings verläuft der Weg eine ganze Weile parallel zur Forstpiste. Man sollte sich trotzdem an den Wanderweg halten, da er irgendwann unmerklich eine andere Richtung einschlägt und schließlich zur Mondlandschaft führt.
Bei der Mondlandschaft handelt es sich um eine auffällige Gesteinsformation, die - anders als der Name es vermuten lässt - an den Hängen eines bewaldeten Tales liegt. Entstanden ist diese Landschaft aus einer mächtigen Schicht heller Vulkanasche, die durch einem weiteren Vulkanausbruch mit dunklerem und vor allem festeren Material überlagert wurde. Hauptsächlich durch Wassererosion haben sich fremdartig anmutende hellgraue spitze Kegel aus dem weicheren Material gebildet.
Von der Mondlandschaft aus geht es weiter bergauf in Richtung Norden in die Montaña de las Arepas. Bis zu diesem Punkt sind mir etwa 30 Wanderer begegnet, danach kein Einziger mehr. Nach ca. 400 Höhenmetern endet dann auf einmal der Kiefernwald und geht dort in eine Landschaft aus feinkörnigen Lavakrümeln über. In dieser wüstenartigen Umgebung können nur noch wenige Pflanzen gedeihen.
Ich verziehe mich bergab in ein kleines Kiefernwäldchen und suche mir dort einen geschützten Platz für die Nacht. Zum Kochen dient mir ein großflächiges sandiges Stück Boden außerhalb des Waldes. Der Waldboden hier ist überall mit teerhaltigen Kiefernnadeln bedeckt.
Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass wildes Zelten auf Teneriffa generell verboten ist. Die Erfahrung hat mich jedoch folgendes gelehrt: Wer sich leise und unauffällig verhält, Naturschutzge- und verbote einhält, auf Lagerfeuer und laute Musik verzichtet, seinen Müll wieder mit nimmt und vielleicht auch noch den Müll seiner Vorgänger entsorgt, der bekommt auch keinen Ärger. Weltweit wird einem Wanderer eigentlich viel Respekt entgegen gebracht, der Sportsgeist wird einem hoch angerechnet.
Wenn ihr wild Zelten geht: Sorgt mit dafür, dass das so bleibt!
Geschlafen habe ich unter freiem Himmel, wobei es in der Nacht sehr kühl wurde. Außerhalb des Waldes war der Boden dünn mit Reif überzogen. Immerhin befindet man sich hier auch schon auf gut 2000 Metern über dem Meeresspiegel.
Am Morgen gönne ich mir ein ausgiebiges Frühstück. Es gibt Vollkornbrot mit Schmelzkäse und mit Leberwurst, dazu heißen Cappuccino. Vor mir liegt ein anstrengender Tag. Zunächst geht es weiter nordwärts, und zwar stetig bergauf. Die Landschaft ist mit sparrigem Strauchwerk bestanden, gelegentlich finden sich einzelne Kiefern. Der Pfad schlängelt sich zwischen kleineren und größeren Felsen hindurch. Die Felsen zur Linken werden immer steiler, während es zur Rechten hinab in ein Tal geht.
Vor mir kommt bald der Teide in Sicht. Ich habe die Caldera erreicht. Zu meiner Rechten ragt mit 2529 Metern der Berg Montaña Pasajiron auf, zu meiner Linken geht es hinauf auf den 2718 Meter hohen Alto de la Guajara. Der Rand der Caldera hat hier an dieser Stelle selbst eine Höhe von 2374 Metern; vor mir geht es etwa 150 Meter hinunter.
Nachdem ich mich ein wenig erholt und einige Fotos geschossen habe, mache ich mich dann an den Aufstieg des Alto de la Guajara. Vor der Besteigung des Pico del Teide will ich mich erst an die Höhe akklimatisieren.
Recht schnell merke ich, wie die Luft dünner wird. Wenn man im Flachland auf Meeresniveau lebt, ist die Höhenluft sehr ungewohnt. Zu Anfang mache ich noch recht große Schritte und längere Pausen, bald aber besinne ich mich eines Besseren und mache viele kleine Trippelschritte und viele, aber kürzere Pausen. So komme ich im strahlenden Sonnenschein recht zügig auf den Gipfel.
Die Kuppe des Berges selbst ist flach. Vor langer Zeit hat dort jemand aus Lavabrocken Schutzhütten aus Trockenmauern errichtet. Dächer gibt es keine, auch keinen Hinweis darauf ob es jemals welche gab oder welche vorgesehen waren. Bei schlechtem Wetter geben sie zumindest einen dankenswerten Windschutz ab.
Nach einer Weile tauchen zwei sportlich gekleidete Männer auf und unterhalten sich in einem harten süddeutschen Akzent, den ich so gut wie gar nicht verstehe. Nach einer Weile folgen zwei Frauen - ganz offensichtlich die Ehefrauen dazu - und dann wird es mir zu laut hier auf dem Gipfel. Ich verziehe mich.
Ich habe Schwierigkeiten, den westwärtigen Abstieg zu finden. Es gibt keine aussagekräftige Markierung, und die eine Abstiegsmöglichkeit, die ich sehe, kommt mir für einen normalen Wanderweg doch zu abenteuerlich vor. Auf der Tafel mit einer Wegbeschreibung, die im Gipfelbereich installiert ist, ist zudem kein westlicher Abstieg eingezeichnet.
Nach langem hin und her folge ich eine Weile dem Pfad, auf dem ich herauf gekommen bin. Dann zweige ich nach rechts, also nach Westen ab. Dies scheint mir die wahrscheinlichste Richtung zu sein, in der der eigentliche Pfad zu finden sein müsste. So laufe ich eine Weile querfeldein, kann aber keinen Pfad und keine Markierungen ausmachen.
Viele der Gipfel entlang der Caldera haben einen plateauartigen Gipfel, so auch der Alto de la Guajara. Bald stehe ich am Rand dieses Plateaus und starre in den Abgrund. Es hilft nichts, ich wandere entlang dieses Randes nordwärts, Richtung Caldera. Ich bin ein wenig genervt, denke mir jedoch, dass ich auf diesem Wege zwangsweise auf den Pfad stoßen muss.
Statt dessen gelange ich an ein tiefes, V-förmig eingeschnittenes Tal. Und in diesem Tal entdecke ich kleine Steinmännchen. Jemand hat hier einen Pfad markiert. Ich bin mir ganz sicher, dass dies nicht der offizielle Pfad ist, folge ihm aber trotzdem.
Durch dichtes Buschwerk und über hohe Felsen geht es sehr steil bergab. Eigentlich folgt dieser Pfad einfach nur der Spülrinne, die hinabfließendes Wasser in die Bergflanke geschnitten hat. Gelegentlich entdecke ich leer geschossene Schrotpatronen und denke mir, dass Jäger möglicherweise diesen Pfad angelegt haben. Was soll' s, ich folge weiter den Steinmännchen und dem in wilden Mäandern verlaufenden Pfad, bis ich endlich aus dem Tal heraus bin.
Nun ist es nur noch ein Katzensprung bis zum eigentlichen Pfad, den ich beim Abstieg schon bemerkt habe. Beim Blick zurück auf den Alto de la Guajara kann ich aber beim besten Willen keinen Pfad ausmachen, der auf den Gipfel führen soll. Später, als ich eine offizielle Karte der Nationalparkverwaltung in den Händen halte, fällt mir auf, dass einige der Pfade meiner Karte nicht mehr verzeichnet sind. Es scheint, dass man bemüht ist, das Wegenetz auszudünnen, sei es aus Gründen des Umweltschutzes, der Sicherheit oder auch einfach um Kosten zu sparen.
Ich laufe nun aber weiter westwärts auf dem Rand der Caldera und bewege mich dabei die meiste Zeit auf Höhen um die 2400 Meter. Unterwegs treffe ich zwei einheimische Wanderer. Während der eine wie ein lateinamerikanischer Einwanderer wirkt, strahlt der andere mit seiner blonden Dauerwelle, dem Schnauzbart und der goldgerandeten Sonnenbrille Machismus pur aus. Die beiden haben zudem einen weißen Pudel dabei, der sich unter einem Strauch im Schatten verbirgt.
Der Schnauzbärtige spricht ganz gut Englisch und erzählt mir, dass er im Norden der Insel lebt und dass man von dort aus die meiste Zeit des Winters Schnee auf dem Pico del Teide liegen sehen kann. Ich interviewe ihn ein wenig über die Berechtigung für den Zugang auf den Gipfel, letzten Endes kann er mir aber nichts neues erzählen. Als ich mich von den Beiden verabschiede, öffnen sie jeder erst einmal ein Dose Bier.
Ich lasse den Sombrero de Chasna, einen Berg, der nicht direkt zum Rand der Caldera gehört, sondern etwas weiter zurück versetzt liegt, zu meiner Linken liegen und folge weiter dem Pfad. Die Landschaft ist unglaublich schön: Während sich zu meiner Linken Grasland mit eingestreuten Sträuchern befindet, dass sich mit abnehmender Höhe in Kiefernwald wandelt, fällt zu meiner Rechten der Fels fast senkrecht ab; darunter liegt die eigentliche Caldera - eine weite Ebene, die den Vulkan Teide umschließt. Ausgefüllt wird sie mit verschiedenen längst erkalteten Lavaströmen, die zu den verschiedensten Zeiten hier hinein geflossen sind. Rote Lava wird überdeckt von schwarzer Lava, kommt neben gelbem bimsartigem Gestein zum liegen. Entlang des Randes der Caldera haben sich sandhelle Sedimentebenen gebildet, die Felsen selbst leuchten im Licht der Sonne rot und gelb und orange, dazwischen ziehen sich grauen und schwarze Felsbändern. Über allem thront der von vielen Lavaströmen zerfurchte Teide in seinem satten braun.
Eigentlich sollte so langsam mal ein Pfad hinab ins Tal abzweigen, doch wieder einmal komme ich vom eigentlichen Weg ab. Ein kleiner Pfad folgt weiter dem Berggrad und offenbart phantastische Aussichten, bis er in einer Sackgasse endet. Die Felsen sind nun so steil, der Gipfel ist so hoch, dass es kein Weiterkommen mehr gibt. Ich muss umkehren.
Bald finde ich den Weg, der hinab ins Tal führt. Bereits nach wenigen hundert Höhenmetern befinde ich mich wieder in einem dichten Kiefernwald. Der Weg hinunter ist anstrengender zu laufen als auf dem Grad, mit jedem Schritt muss ich mein Gewicht und das meines Rucksacks dazu abfangen. Gelegentlich spüre ich ein leichtes Zwacken im Knie.
Schließlich geht der Bergpfad in einen breiten Waldweg über, der nach einigen hundert Metern in die Landstraße TF-21 mündet. Direkt an der Straße liegt ein Rastplatz, ein großes Schild weist auf ein Restaurant hin, das an diesem Tag aber geschlossen ist.
Ein Rastplatz auf Teneriffa, das bedeutet in erster Linie eine Ansammlung von Tischen und Bänken im Wald, dazu der eine oder andere gemauerte Grill. Hier trifft man sich an Sonn- und Feiertagen mit der Familie. Man hat etwas leckeres zu Essen und zu Trinken mitgebracht, man grillt Fleisch und Fisch und verbringt einen geselligen Tag im Kreise seiner Lieben.
Leider sind diese Rastplätze auf den Karten als Campingplätze eingezeichnet. Einige haben auch eine Wasserversorgung und man darf auch tatsächlich Zelten, wenn man vorher eine Genehmigung einholt. Ich hatte mir nun einen mehr oder weniger ganz normalen Campingplatz erhofft, mit Zeltmöglichkeit, Duschen und einem kleinen Laden. Vor allem wollte ich meine Wasservorräte auffüllen.
Statt dessen gibt es nichts von alledem. Zudem - und das macht die Sache noch schlimmer - komme ich gar nicht auf die Idee, dass es sich hier um den eingezeichneten Campingplatz handelt. Ich vermute den einen "richtigen" Zeltplatz etwa 2 km weiter von meinem Standort entfernt. Also laufe ich los und muss recht bald feststellen, dass ich mich geirrt habe.
Zu allem Überfluss komme ich auch noch an einem deutschen Pärchen vorbei, die gerade an einer Parkbucht halten. Beide bitten mich darum, mit einer Einwegkamera ein Bild von ihnen zu machen. Der Bitte komme ich natürlich gerne nach. Ich frage dann noch nach dem Zeltplatz, worauf hin mir der Mann sagt, etwas weiter die Straße runter wäre tatsächlich einer. Also laufe ich weiter die Straße entlang.
Von der Straße aus hat man bei entsprechender Wetterlage in Richtung Westen einen unglaublichen Blick auf die Passatwolken. Die Berge, die ganze Insel scheint wie in einem Meer aus Wolken zu schweben.
Schließlich erreiche ich Boca Tauce. Ein neu errichteter Gebäudekomplex vor der Straßenabzweigung ist mit Baustellengittern versperrt, alles abgeschlossen. Hier gibt es kein Wasser. Meine Vorräte sind vollkommen erschöpft, zudem beginnt es dunkel zu werden. Also halte ich meinen Daumen in den Wind und lasse mich vom ersten Auto, das stoppt, mitnehmen.
Es ist ein deutsches Pärchen mittleren Alters, das mich aufsammelt. Sie haben ihr Hotel irgendwo an der Westküste der Insel und nehmen mich bis nach Chio mit. Die Fahrt dauert vielleicht eine halbe Stunde. Dabei tauchen wir mit dem Auto in die Wolkendecke ein und alles wird nass und grau und dunkel.
In Chio angekommen ist es aber trotzdem warm und trocken. In einer Tankstelle besorge ich mir erst einmal was zu trinken und etwas Schokolade für den ersten Hunger. Dann geht's in den Ort und ich kaufe mir in einem kleinen Supermarkt Bohnen, Brot, ein paar Fischkonserven und Bier. Anschließend suche ich mir etwas außerhalb von Chio eine Schlafgelegenheit in einem ehemaligen Garten. Nach einem kleinen Festmahl liege ich bald erschöpft im Schlafsack.
Am folgenden Morgen nehme ich mir nach dem zeitigen Aufstehen erst einmal Zeit für eine ausgiebige Wäsche, d. h. ich bereite mir warmes Wasser zu und seife mich anschließend mit dem Waschlappen ordentlich ab. Zum Rasieren bin ich allerdings zu faul.
Anschließend gehe ich wieder in den Ort und decke mich mit Schokolade und 6 Litern Wasser ein. In einer Bushaltestelle denke ich beim Frühstück erst einmal darüber nach, wie es weiter gehen soll. Recht schnell ist klar: Das Ziel ist und bleibt der Teide.
Wieder ist es ein deutsches Pärchen mittleren Alters, das mich per Anhalter mit nimmt. Am Startpunkt des Rundwanderweges Nr. 13 steige ich aus und laufe die Landstraße TF-38 weiter zu Fuß. So komme ich dann auch an den Beginn des Wanderweges Nr. 9, der auf den Gipfel des Teide führt.
Da es schon recht spät am Tag ist, suche ich mir in der Montaña del Cedro ein verstecktes Plätzchen für mein Gepäck und nutzte die Zeit, um den technisch sehr einfachen Wanderweg Nr. 18 hin- und zurück zu laufen Auch wenn dieser Pfad recht kurz ist, so muss ich doch sagen, dass er mit zu den schönsten Strecken gehört, die ich gelaufen bin.
Zum einen führt der Pfad direkt unter den steilen Gipfeln der Montaña del Cedro entlang, zum anderen berührt er die schwarzen Lavafelder des letzten Ausbruchs des Pico Viejo. Auf der einen Seite schwarz und leblos die Lava, auf der anderen Seite die roten Felsen des Gebirges am Rande der Caldera und üppiges Pflanzenwachstum - was für ein Kontrast. Am schönsten muss der Weg im Frühling zur Blütezeit sein. Hier sah ich auch einen Falken jagen.
Gegen Abend baue ich mir ein geschütztes Nachtlager im Wald. Wieder koche ich auf den blanken Lavafelsen, wo ein Feuer kein Unheil anrichten kann. Es erweist sich als sehr weitsichtig, das Tarp aufzuspannen, da es in der Nacht tatsächlich zu nieseln beginnt.
Nach dem Frühstück packe ich alle meine Sachen zusammen und verstecke meinen Rucksack in einer Lavahöhle. Nur mit meiner Fototasche bewaffnet laufe ich die TF-38 bis Boca Tauce entlang und von dort aus auf der Straße bis zum Besucherzentrum in der Cañada Blanca. Die Strecke ist recht hübsch und unterwegs gibt es viel zu sehen. Jedoch ist der Verkehr sehr stark und das Laufen macht daher eher wenig Spaß. Am Besucherzentrum selbst gibt es neben dem Infocenter der Nationalparkverwaltung noch ein Restaurant mit Selbstbedienung, ein Hotel, viele Parkplätze und - eine Kirche.
Es ist recht seltsam: Den eher schweren Rucksack kann ich den ganzen Tag ohne Probleme tragen, doch mit zu leichtem Gepäck kneift mir nach ein paar Kilometern der Rücken.
In der Cañada Blanca angekommen gönne ich mir ein Schinkenbrötchen und einen Kaffee. Im Anschluss erkundige ich mich bei einer der Damen von der Nationalparkverwaltung nach der Telefonnummer für die Übernachtung im Refugio Altavista auf dem Teide. Tatsächlich gelingt es mir, einen Platz für die kommende Nacht zu reservierten. Der Mensch am anderen Ende der Leitung spricht ein schlechtes Englisch und noch ein schlechteres Deutsch, doch er nennt mir eine Reservierungsnummer, die ich dem Wirt der Altavista-Hütte nennen soll. Die Bezahlung (20 Euro) erfolgt auf der Hütte.
Im Anschluss daran geht es mir schon wesentlich besser. Nun steht fest: Morgen werde ich den Teide hinauf wandern. Endlich habe ich wieder einen festen Plan. Gut gelaunt mache ich mich auf den Rundweg Nr. 3, der den Besucher um die Roques de Garcia führt, ein kleines Gebirge inmitten der Caldera. Ich habe diese spitzen Berge ja schon vom Alto de Guajara aus bewundern können und hatte mich schon auf diesen Besuch gefreut..
In die Cañada Blanca muss jeder Tourist, der den Teide besuchen will, sei es mit dem Mietwagen, dem Reise- oder dem Linienbus. Dem entsprechend hoch ist auch das Verkehrsaufkommen in der Caldera. Massen von Menschen allen Alters, aber doch vorwiegend Ältere, tummeln sich hier auf dem Parkplatz. Viele kommen in kurzen Hosen und Sandalen und sind gar nicht auf schlechteres Wetter vorbereitet.
Zwar ist der Wanderweg Nr. 3 eigentlich von jedem gesunden Menschen zu bewältigen, und besonders lang ist er auch nicht, trotzdem sieht man schon auf den ersten Treppenstufen Menschen stolpern und wanken. Nicht umsonst steht ein Rettungswagen für Notfälle auf dem Parkplatz bereit.
Der Rundweg selbst führt in eine der bizarrsten und schönsten Ecken der Caldera. Wer möchte, kann an einer kostenlosen Führung teil nehmen, aber man kann den Weg auch für sich allein gehen. Es ist durchaus möglich, mal für ein paar Augenblicke allein zu sein und die Landschaft zu genießen. Ich habe meinen Besuch trotz des Touristenstromes nicht bereut.
Im Anschluss decke ich mich noch mit etwas Wasser und einer Dose Limonade für den Rückweg ein. Zurück geht es wieder auf der Straße bis nach Boca Tauce, von dort aus wandere ich noch einmal auf dem Wanderweg Nr. 18 in die Montaña del Cedrus.
Nach dem Abendessen packe ich meinen Rucksack so, dass alle relevanten Dinge oben liegen: Jacke, Handschuhe,Mütze, Sonnenbrille und -creme, Wasser und Müsliriegel. Die Nacht über liege ich wieder versteckt unter meinem Tarp im Kiefernwald.
Noch vor dem Hellwerden klingelt mein Wecker. Widerwillig schäle ich mich aus dem warmen Schlafsack und beginne mein Zeug zu packen. Alles ist mit Reif bedeckt, die Luft ist feucht und kalt, also mache ich schnell, damit mir warm wird. Zügig begebe ich mich zum Ausgangspunkt des Wanderweges Nr. 9 an der TF-38. Zumindest um diese Uhrzeit bin ich der Einzige, der sich auf den Weg zum Gipfel machen will.
Ich entsorge meinen Müll in den bereitstehenden Abfallbehältern, pudere noch einmal meine Füße und dann geht es auch schon los. Der Weg führt eine ganze Weile parallel zur Straße durch recht unwegsames Gelände. Doch das gibt sich bald und das Gehen wird einfacher. Bevor es nur wirklich bergauf geht vergehen vielleicht 1 - 2 Kilometer; es geht zuerst sogar noch ein Weilchen bergab.
Doch dann bleiben die Kiefern hinter einem zurück und es wird ernst. Die Sonne ist nun auch schon hinter den Bergen der Caldera aufgetaucht, und dort, wo ihre wärmenden Strahlen auf den Boden treffen, löst sich der Raureif rasch auf. Die meiste Zeit über ist der Boden fest und hart und man kommt gut voran. Mal zieht sich der Pfad durch rote Aschelandschaften, mal ist der Boden eher grau gefärbt.
Immer wieder finden sich die graugrünen sparrigen Ginsterbüsche, gelegentlich auch etwas Gras oder die eine oder andere Blütenstaude, doch will in diese trostlosen Landschaft nichts wirklich lebendig erscheinen. Und doch, so verwunderlich es scheint, hört man gelegentlich einen Vogel zwitschern und entdeckt plötzlich einen Finken.
Mit zunehmender Höhe wird die Luft dünner, ich muss häufiger eine Pause einlegen. Auf meinem Weg zum Gipfel halte ich es so, dass ich etwa jede Stunde 15 - 20 Minuten Pause einlege, auch um etwas zu essen und zu trinken. Gestartet bin ich im T-Shirt, Hemd und Pullover, dazu habe ich eine Strickmütze auf und Handschuhe an. Mütze, Handschuhe und Pullover verschwinden aber schnell im Rucksack. Unerlässlich ist aber eine Sonnenbrille. Zusammen mit einer Schirmmütze ergibt sie einen guten Schutz für die Augen.
Das erste große Etappenziel ist der 3134 Meter hohe Pico Viejo. Es ist der jüngere Vulkankegel der beiden großen Vulkane in diesem Areal. Von unten nimmt man ihn eigentlich kaum wahr, da er sich nur unmerklich aus der Flanke des Teide erhebt. Auch der Pfad schlängelt sich eher heimlich an ihm vorbei. Man könnte ihn fast übersehen. Nur ein ganz kurzer Abstecher zum Kraterrand aber offenbart einen phantastischen Ausblick: Vor einem liegt ein riesiger Krater, in dem sich eine ganze Kleinstadt verstecken könnte - oder auch mehrere, wenn man sie übereinander stapeln würde. Es führt ein Pfad zum "Gipfel", es ist wohl auch möglich, den Krater zu umrunden. Das Innere des Kraters darf aber nicht betreten werden.
Der eigentliche Pfad zum Teide führt dann für eine ganze Weile durch einen recht einfach zu bewältigenden Landstrich, der mit gelbem Bimsstein bedeckt ist. Die Steigung ist moderat, man kommt gut voran. Die Landschaft geht dann aber in eine Region über, die aus dunklem Lavagestein besteht. Hier beginnt nun der schwierigste Teil des Aufstiegs. Der Weg ist ab hier eher steil, die Lava ist scharfkantig und stark verblockt. Zwischen den einzelnen Blöcken tun sich teilweise recht tiefe Löcher auf. Man muss sich sehr auf seine Schritte konzentrieren.
Für dieses letzte Stück des Aufstieges benötige ich etwa 1 1/2 Stunden. Vor mir sehe ich in den Felsen ein älteres Paar aufwärts klettern und frage mich, wann sie wohl gestartet sein mögen, zumal am Parkplatz an der Straße ja auch kein Auto zu sehen war.
Nachdem ich eine Weile später das Lavafeld passiert habe und im touristisch erschlossenen Bereich ankomme, treffe ich die Beiden wieder. Es ist ein deutsches Ehepaar, das mit der Seilbahn auf den Teide gefahren ist. Sie hatten den Plan, den Weg Nr. 9 hinunter zum Fuß des Berges zu wandern, dies jedoch abgebrochen und sind umgekehrt, da ihnen das Klettern im Lavafeld zu gefährlich erschien.
Oben angekommen erstreckt sich der Bereich unterhalb des Gipfels, der von den Besuchern, die mit der Seilbahn den Teide heraufkommen, besucht werden kann. Es erscheint einem zunächst etwas seltsam, aber die Wege dort sind mit Lavagestein gepflastert. Trockenmauern grenzen die Pfade zum restlichen Gipfelgebiet ab. Der Pfad bietet eine sehr schöne Aussicht über die Insel. Es gibt Sitzecken und Mülleimer. Im Bereich der Seilbahnstation befindet sich noch ein weiteres Gebäude, in dem die Leute der Nationalparkverwaltung untergebracht sind. Vor dem Pfad Nr. 10, der auf den Gipfel des Teide hinauf fährt, sitzt tatsächlich ein Wärter und kontrolliert, ob man eine Zugangserlaubnis zum Gipfel besitzt.
Ich wandere hinunter zum Refugio Altavista, der Schutzhütte auf dem Teide, die auf 3200 Metern Höhe liegt. Es handelt sich um ein sehr schönes Gebäude, in dem sich eine Küche, Toiletten sowie Schlafräume befinden. Das Wasser, dass aus dem Wasserhahn dort kommt, ist gechlort und nicht als Trinkwasser deklariert. Man muss also sein eigenes Wasser mitbringen. Alternativ dazu verkauft der Hüttenwirt auch Wasser und Limonade, jedoch sind die Preise sehr hoch. Zusätzlich gibt es nur noch einen Kaffeeautomaten. In den Toiletten und der Küche gibt es nur fließend kaltes Wasser, Duschen existieren nicht. In der Küche besteht die Möglichkeit, sich eine einfache Mahlzeit zuzubereiten. Es gibt eine elektrische Kochplatte sowie einen Wasserkocher. Geschirr ist vorhanden. Die Betten in den Schlafräumen sind sehr bequem, es gibt Federbettdecken und -kissen sowie frisches Bettzeug.
Auf der Hütte lerne ich Kasper und Franke kennen, ein junges Paar aus Österreich. Sie haben sich spontan für den Aufstieg zur Hütte entschieden, jedoch keine Reservierung. Da am Abend jedoch nicht alle Betten vergeben sind, können sie trotzdem bleiben. Die Übernachtung kostet 20 Euro pro Person. Insgesamt sind sehr viele Spanier auf der Hütte. Kasper, Franka und ich sind die einzigen Ausländer. Anscheinend liegt vielen Spaniern daran, einmal "ihren" Berg zu besteigen. Generell ist die Stimmung unter den Bergwanderern sehr angenehm und unterhaltsam, obwohl mir solche Menschenansammlungen eher ein Graus sind. Ich schätze, über Nacht bleiben 30, 35 Personen auf der Hütte.
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